Mit ihren erneuten Ermittlungen von 1994 bis 1997 zum Tod Uwe Barschels hat die Lübecker Staatsanwaltschaft zur weiteren Aufklärung nicht unbedeutsam beigetragen. Diese Arbeit ist mit dem Namen des früheren Leitenden Oberstaatsanwaltes Heinrich Wille untrennbar verbunden. Ob allerdings alles, was nötig und möglich gewesen wäre, tatsächlich in dieser Zeit ermittelt wurde, mag dahin gestellt bleiben. Es ändert an vorheriger Bewertung nichts.Ein wesentlicher Grund für die Ermittlungen war, dass zuvor zu viele Ungereimtheiten auch öffentlich deutlich geworden waren und die Genfer Ermittlungsergebnisse nicht das sichere Resultat Selbstmord ergeben hatten. Zwar wäre dies weithin wohl als das Ergebnis empfunden worden, was die wenigsten Probleme machen würde. Mit den Fakten war dies jedoch nicht in Einklang zu bringen.
Bei der Lübecker Behörde lief seit dem Todestag Barschels am 11. Oktober 1987 ein Todesermittlungsverfahren. Es trägt das Aktenzeichen 705 Js 33247/87.
Es wurde vor allem 1987 ermittelt. Ob damals ausreichend, kann mit einem klaren Nein beantwortet werden. Jedenfalls war die Lübecker Staatsanwaltschaft angesichts der Sach- und Rechtslage in den 90er Jahren nicht frei in der Frage, ob sie neu bzw. weiter ermitteln musste. Sie musste. Mit dem Ergebnis: Es war Mord. So sagt es Heinrich Wille, einst Chefermittler, heute Leitender Oberstaatsanwalt a.D..
Ohne Frage hat Wille Recht, dass er nicht alle Hilfe bekam und gegen manche Widerstände zu kämpfen hatte. 1997 hätten die Ermittlungen nicht beendet werden dürfen.
Zu einer umfassenden, unangreifbaren Arbeit gehört, allen in Betracht kommenden Spuren unvoreingenommen nachzugehen. Dazu zählt natürlich das Haar, das auf dem Bett in dem Hotelzimmer gefunden wird und das nicht dem Toten zugeordnet werden kann. Dazu können auch noch weitere der mehr als 140 Asservate zählen, die aus der Schweiz nach Lübeck – inzwischen mit der Fragestellung: wann genau, wie und wohin? – gebracht wurden. Von „Hysterie“ zu sprechen, wie Wille es getan hat, erstaunt allerdings sehr.
Erst nach einer DNA-Analyse ist eine – erste – Bewertung möglich. Danach ist zu entscheiden, was weiter zu tun ist. Ermittlungen sind nicht nur von DNA-Analysen abhängig.
Diese DNA-Untersuchungen zu alten Asservaten mit den neuen Möglichkeiten – die übrigens immer mehr verfeinert und dadurch immer präziser werden – erfolgen nicht nur im Todesfall Barschel. Sie sind heute in „Alt-Fällen“ normaler Ermittlungs- und Untersuchungsstandard. Und so hätten die Asservate aus Genf längst untersucht gehört. Man wundert sich eigentlich nur, dass es erst des Hinweises eines Politikers bedurfte, auf das Nahe liegende zu kommen.
Wille versucht den Wert einer solchen Untersuchung herunterzureden. Dies sollte er besser lassen. Auch, weil es Klärungsbedarf zur Lagerung und Handhabung der Asservate in der Staatsanwaltschaft gibt, für deren Leitung Wille in dieser Zeit verantwortlich war. Und eines ist doch auch klar: Auch ein Staatsanwalt kann nicht schon vor den Untersuchungen wissen, ob es Ergebnisse mit Relevanz geben könnte.