Zu der häufig diskutierten Frage, in welchen Bereichen wir bereits heute auf kommunaler, Landes- und Bundesebene eine direkte Mitbestimmung der Bürger an der politischen Willensbildung haben:
Kommunale Ebene: Gemäß § 16g Abs. 1 der Gemeindeordnung (GO) kann eine Gemeindevertretung mit 2/3-Mehrheit beschließen, dass die Bürger über eine „wichtige“ Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung selbst beschließen. Wenn die Bürger einen solchen Beschluss selbst initiieren wollen (Bürgerbegehren), so gibt ihnen hierzu § 16g Abs. 3 GO das Recht. Das Anliegen müssen 10 % der Bürger unterstützen bzw. unterzeichnen, § 16 g Abs. 4 GO. Eine entsprechende Regelung gilt auch für die Kreise, § 16f Kreisordnung (KrO).
Wenn nicht ein Entscheid, sondern lediglich die Befassung der Gemeindevertretung mit einer bestimmten Selbstverwaltungsangelegenheit herbeigeführt werden soll, so kann dies über einen Einwohnerantrag, den 5 % der Einwohner unterstützen müssen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, erzwungen werden (§§ 16f GO, 16g KrO). Im Übrigen existieren auf kommunaler Ebene auch noch die Institute der Einwohnerversammlung (§ 16b GO) und der Einwohnerfragestunde, letztere mit einem Frage- und Vorschlagsrecht für die Bürger (§§16c GO, § 16b KrO). Vergleichbarer Regelungen existieren auch in anderen Bundesländern.
Landesebene: „Das Volk“ als (Abstimmungs-)Organ, kann im Wege eines Volksentscheids prinzipiell all diejenigen Beschlüsse fassen oder Gesetze beschließen, die auch der Landtag treffen kann. Dies gilt für den gesamten Bereich der Gesetzgebungskompetenz des Landes, ausgenommen sind aber Entscheidungen über den Haushalt, über Dienst- und Versorgungsbezüge sowie über öffentliche Abgaben. In Schleswig-Holstein gibt es ein dreistufiges Verfahren, bestehend aus den drei Verfahrensschritten Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Artikel 41, 42 der Landesverfassung).
Eine Volksinitiative müssen in Schleswig-Holstein 20.000 Stimmberechtigte unterstützen. Ist die Initiative erfolgreich, erzwingt sie eine parlamentarische Befassung mit der Vorlage. Stimmt das Parlament der Vorlage nicht binnen vier Monaten zu, kann dazu ein Volksbegehren initiiert werden. Dieses müssen binnen sechs Monaten 5 % der Stimmberechtigten unterstützen. Ist ein Volksbegehren zu Stande gekommen, ist damit wiederum die parlamentarische Befassung mit der Vorlage erzwungen. Stimmt das Parlament der Vorlage erneut nicht zu, findet ein Volksentscheid statt. Der Gesetzentwurf oder die Vorlage ist durch Volksentscheid angenommen, wenn die Mehrheit derjenigen, die ihre Stimme abgegeben haben, jedoch mindestens ein Viertel der Stimmberechtigten zugestimmt hat. Eine Verfassungsänderung durch Volksentscheid bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln derjenigen, die ihre Stimme abgegeben haben, jedoch mindestens die Hälfte der Stimmberechtigten.
Eine Volksinitiative muss schließlich nicht immer alle Verfahrensschritte durchlaufen, um zum „Erfolg“ zu gelangen. Es kann auch eine Einigung mit dem Parlament auf einen Kompromiss erfolgen, den dann das Parlament beschließt. Dies kommt häufiger vor als Volksentscheide – die jüngste Änderung der Landesverfassung bzgl. der Kinderrechte ist ein Beispiel hierfür.
Bundesebene: Auf Bundesebene sieht das Grundgesetz (GG) keine Volksentscheide über politische Fragen vor. Es gibt lediglich die Möglichkeit eines Volksentscheids, der nach Art. 29 GG stattzufinden hat, wenn die Gebietsgrenzen von Bundesländern verändert werden sollen. In diesen Fällen wird das Bundesgesetz, das eine solche Gebietsänderung festlegt, nicht ohne einen zustimmenden Volksentscheid wirksam. Technisch ist hier das im Grundgesetz verwendete Wort „Volksentscheid“ missverständlich, denn es darf nicht das (gesamte) Staatsvolk abstimmen, sondern nur die von der Gebietsänderung betroffene Bevölkerung.